Projektbeschreibung:
Baumarten können sich dem Klimawandel entweder aufgrund ihrer phänotypischen Plastizität, durch evolutionäre Veränderungen von Häufigkeiten eines Genotyps oder durch migrieren in passende Umweltbedingungen anpassen. Mit der Einfuhr bzw. der “assisted migration” von Herkünften heimischer Baumarten mit nicht-heimischer Provenienz aus Regionen mit wärmerem und trockenerem Klima, in denen diese Baumart sich schon länger entwickeln und anpassen konnte, werden alle drei der erwähnten Strategien kombiniert. Für die Suche nach standortsangepassten Herkünften wird meist nur auf die Anpassung an ein zukünftiges Klima geachtet, nicht aber auf Bodenparameter, die ebenfalls entscheidend für eine erfolgreiche Pflanzung oder Saat sein können. Das ist umso erstaunlicher, da in der forstlichen Ausbildung und Praxis bei der Standortswahl üblicherweise der Boden mitberücksichtigt wird. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen außerdem, daß die Trockentoleranz von Baumarten durch die Basenstatus des Bodens beeinflusst wird (Mellert et al., 2017). Ein Grund für diese bislang einseitige Betrachtung könnte das Fehlen entsprechender bodenkundlicher Daten aus den potentiellen Herkunftsgebieten einer assisted migration liegen.
Mit dieser Arbeit wurde ein Tool erarbeitet, um diese Lücke zu schließen und mit dem Interessenten von Saat- und Pflanzgut, beispielsweise Baumschulen, mit einfachen Mitteln prüfen können, ob und mit welchen Flächenanteilen in den einzelnen Ländern in Südeuropa zur Verfügung stehen. Zusätzlich werden für alle 23 heimischen Baumarten, die in den beiden Bänden der “Praxishilfe – Klima – Boden – Baumartenwahl” beschrieben sind (Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft 2029, 2020), Herkunftskarten differenziert nach Basenstatus der Böden, Sommertrockenheit und ausreichender Winterhärte erarbeitet. Die Flächen werden zusätzlich nach den gleichen Kriterien länderweise berechnet und als Tabelle zur Verfügung gestellt.
Um die Entscheidungskriterien übersichtlich zu halten wurde versucht mit wenigen Faktoren Areale zu charakterisieren. Bodenkundlich wurde der Basenstatus mit den Klassen (i) sauer, nährstoffarm, (ii) mittel- bis bassenreich und (iii) carbonatisch gewählt. Als Grundlage dient die Bodenkarte Europas des European Soil Data Center im Maßstab 1:1.000.000 (Panagos et al., 2012).
Klimatisch wurde Sommertemperatur und Sommerniederschläge zu einem Faktor “Sommertrockenheit” zusammengefasst. Da wir zukünftig zwar mit milderen Wintern aber weiterhin mit Kälteeinbrüchen rechnen müssen, wird ein zusätzlicher Klimafaktor “Winterhärte” genutzt, der als Mindestvoraussetzung gilt, um zukünftige Winter weitgehend zu überleben. Vor allem in kontinentalen Teilen Deutschlands kann eine höhere Winterhärte erforderlich sein. Es wurde das Szenario SSP585 genutzt, welches das Standardszenario mit dem höchsten Strahlungsantrieb ist. Als Grundlage für das aktuelle Klima in Südeuropa sowie dem modellierten zukünftigen Klima in Deutschland (2071-2100) werden die CHELSEA-Daten genutzt (Brun et al. 2022, Karger et al. 2021).
Für die Baumartenverbreitung wurden die klassischen Karten von Meusel und Jäger genutzt die von Caudullo et al. (2021) überarbeitet und aktualisiert wurden. Da diese Arealkarten sehr grob bzw. großzügig gezeichnet sind, beinhalten sie viele Flächen im Mittelmeerraum, die nicht bewaldet sind, sei es aus Nutzungsgründen oder weil es zu trocken ist. Damit hier keine unrealistisch große Flächen dargestellt und berechnet werden wurde zusätzlich mit dem Copernicus Walddecker (Buchhorn at al. 2020) verschnitten.
Ergebnisse des Forschungsvorhabens:
Mit diesen Daten wurde in Form von Vorträgen und Veröffentlichungen auf die Bedeutung des Bodens als einen wichtigen Faktor für die standortsgerechte Baumartenwahl aufmerksam gemacht.
Weiterhin wurden aktuelle Herkünfte ausgewählter Baumarten in den Bundesländern Bayern, Baden-Württemberg, Thüringen und Sachsen bezüglich ihrer Repräsentanz bezüglich des in den jeweiligen Bundesländern vorkommenden Basenstatus der Böden eingewertet.
Die geoökologische Karte stellt alle Flächen in Südeuropa diffenziert nach Basenstatus dar, die entweder mindestens semihumid oder trockener oder semiarid oder trockener sind und dabei Winterkälten ausgesetzt und bewaldet sind. Alle nicht passenden Flächen werden weiß dargestellt.
Die Modellierung des zukünftigen Klimas in Deutschland zeigt eine Differenzierung in drei Sommertrockenheitsklassen. Die auch zukünftig humiden Regionen haben eine große Auswahl um Pflanz- und Saatgut aus den heutigen humiden Gebieten in Deutschland, heute noch 73 % der Landesfläche, zu erhalten. Diese Möglichkeit steht für die zukünftig semihumiden Gebiete nur eingeschränkt zur Verfügung, da nur wenige Gebiete heute schon in Deutschland semihumid sind (27 %) und diese außerdem meist wenig bewaldet sind. Die zukünftig semiariden Gebiete in Deutschland, immerhin 29 %, haben dagegen keine Möglichkeit klimatisch angepasstes Pflanz- und Saatgut aus Deutschland zu erhalten, da dieses Klima heute in Deutschland praktisch nicht exisitiert. Klimangepasste Herkünfte für diese Regionen müssen daher aus Südeuropa kommen und können durch die geoökologische Karte ermittelt werden.
Die Karten und Tabellen für die erwähnten 23 Baumarten zeigen welche Baumarten in Südeuropa nur noch sehr kleine Areale mit semihumiden oder semiariden Klimate besitzen. Hierzu zählen Lärche und Fichte. Angesichts des Mangels an wirtschaftlichen Baumarten für saure und nährstoffarme Standorte sind vor allem die Herkünfte von Edelkastanie und Traubeneiche interessant. Fokussiert man nicht auf die Gesamtverbreitung sondern auf Areale mit sauren Gebieten sind Herkünfte der Traubeneiche tendenziell eher in SO-Europa, die der Edelkastanie eher in SW-Europa zu suchen. Weiterhin sind Baumarten mit breiter standörtlicher Spanne ebenfalls für mäßig saure Böden geeignet. Beispielsweise zeigt die Weißtanne ihren Verbreitungsschwerpunkt für basenreiche bis carbonatische Böden in SO-Europa, für saure Standorte dagegen in SW-Europa und hier vor allem Italien und Südfrankreich. Für Standorte mit basenreichen bis carbonatischen Böden stehen dagegen viele Baumarten zur Verfügung, die in der Regel auch große Areale mit “angepasstem Klima” in Südeuropa haben.
Mit diesem Set an Karten und Tabellen stehen nun erstmals, wenn auch nur grobmaßstäbig, Karten für die Praxis von Baumschulen aber auch dem interessierten Waldbesitzer zur Verfügung mit denen grob Herkünfte nicht nur klimatisch sondern auch bodenkundlich eingewertet werden können. Dieser Ansatz verstößt dabei nicht gegen gesetzliche Vorgaben, die beispielsweise durch die europäische Richtlinie über den Verkehr mit forstlichem Vermehrungsgut vorgegeben werden.
Laufzeit
01.02.2023 bis 31.12.2023
Bearbeiter
Dr. Eckart Kolb
Förderung
Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten